Professor Bernhard Friedrich, Leiter des Instituts für Verkehr und Stadtbauwesen an der TU Braunschweig, ist Experte für Verkehrsplanung. Er hat, wie auch Klaus Geschwinder, der in der Region Hannover Teamleiter für die Verkehrsentwicklung ist, gemeinsam mit rund 80 Besuchern des Technik Salons den schwedischen Dokumentarfilms von 2015 gesehen. "Der Film hat das richtig adressiert", sagt er im Anschluss im Gespräch, "wir sind Gefangene des Systems." Er beruft sich auf eine im Film portraitierte Stadtplanerin aus Sao Paulo, die angesichts des Stillstands in der verstopften Millionen-Metropole einen echten Paradigmenwechsel weg von der Autozentrierung fordert, aber einräumt, dass dieser Wechsel wegen der Interessen mächtiger Unternehmen so schwer zu erreichen sei.
Klaus Geschwinder ergänzt, dass Entscheidungen über Standortnutzungen entscheidend dafür sind, mit welchen Verkehrsmitteln Menschen sich über Jahrzehnte bewegen werden. "Planer mussten mitansehen, wie Jahrzehnte lang Weichen falsch gestellt wurden und bei Infrastrukturen nicht an Fußgänger und Radfahrer gedacht wurde. Jetzt sehen wir genau das wieder in den aufstrebenden Städten."
Fahrrad vs Auto in der Region Hannover
Eckhard Stasch vom Technik Salon moderiert das Gespräch mit den beiden fahrradaffinen Experten, das Publikum klinkt sich immer wieder ein - mit Anmerkungen oder kritischen Nachfragen zu dieser oder jener Verkehrssituation, zu Fahrradstraßen und -streifen in Hannover. Geschwinder bittet um etwas Geduld: Was seit den 1960er Jahren im Sinne einer autofreundlichen Stadt entstanden sei, könne nicht binnen weniger Jahren komplett verändert werden. Und letztlich sei ein fahrradfreundicher Umbau von Stadt und Region Ausdruck des Bürgerwillens, der, so Geschwinder, durchaus noch etwas klarer Richtung Politik artikuliert werden könnte.
Beide Experten zeigen sich aber insgesamt optimistisch, vor allem was den regionalen Trend angeht: In Hannover werde fast jeder vierte Weg mittlerweile mit dem Fahrrad erledigt, die Nutzung der Öffentlichen Verkehrsmittel steige Jahr für Jahr. Geschwinder hofft, dass auch die Pendler, die von außen mit dem PKW nach Hannover kommen, etwa über P&R sinnvoll in neue Verkehrskonzepte eingebunden werden können. Elektroautos hält er dabei nicht für die Lösung - in Städten könne man Verkehrsflüsse bündeln, da brauche man die Flächen für Individualverkehr nicht. Friedrich findet, dass Parkplatz viel zu günstig ist: "Zehn Quadratmeter Raum in der City mit einem Auto belegen: die aktuellen Parkgebühren sind dafür nicht angemessen."
Und global? Friedrich, der auch in Rio in Brasilien lehrt, geht davon aus, dass die im Autoverkehr erstickenden Mega-Cities global verlieren werden. Ihre Lebensqualität werde immer schlechter. "Es wird wohl keinen disruptiven Wandel geben, aber einen auf Dauer."
Das PZH und die Verkehrsplanung
"Dieser Standort ist so, wie man es nicht machen soll", kommentiert Regionsplaner Geschwinder den Standort von PZH und künftigem Campus Maschinenbau. Er zählt auf: Fußwegentfernung von der Stadtbahn - ein Kilometer. Dafür die Autobahn quasi vor der Tür. Stadtplanerisch ein Grauen. Die gute Nachricht beider Gäste für aktuelle und künftige Beschäftigte an diesem Standort: Es wird in jedem Fall eine komfortable Bus-Shuttle-Verbindung geben, die direkt an die Stadtbahn gekoppelt ist. Ein Forschungsprojekt in Braunschweig prüft aktuell die Möglichkeit, diesen Shuttle autonom zu betreiben.
Auch der Radschnellweg zwischen Hauptuni und PZH ist nicht ganz vom Tisch. Auch wenn die Umsetzung noch nicht absehbar und die Wegeführung schwierig ist: der Plan lebt, so Regionsplaner Geschwinder.
Im Film gibt es für die Radfahrer zumindest in Sao Paulo ein Happy End: Während der (mittlerweile verstorbene) Bürgermeister Rob Ford in Toronto die Radwegemarkierungen von den Straßen kratzen lässt, werden in Sao Paulo über Nacht aus Parkplätzen kilometerlange Radwege.
Film-Trailer: www.vimeo.com/ondemand/bikesvscars
Informationen zu den weiteren Veranstaltung des Technik Salons: www.technik-salon.de